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Fakten & Mythen zur Gesundheit

Warum Stress nicht per se schlecht ist: Eustress & Distress

Deutschland wird zunehmend gestresster. Mehr als ein Viertel der Deutschen ist häufig gestresst. Das zeigt die aktuelle Stressstudie "Entspann dich, Deutschland" 2021.

Termindruck bei der Arbeit, ständige Erreichbarkeit, Vereinbarkeit von Familie und Beruf und Multitasking – unsere Leistungsgesellschaft verlangt viel von uns ab. Jedoch ist dauerhafter Stress extrem ungesund.
Stress beeinträchtigt unsere Gesundheit. Menschen, die häufig Stress erleben, leiden viel häufiger unter körperlichen Beschwerden wie Rückenschmerzen, Kopfschmerzen, Magenbeschwerden oder Erkältungskrankheiten, als wenig gestresste Menschen. Außerdem hängt Stress deutlich mit psychischen Problemen wie Erschöpfung oder Depressionen zusammen.

Dabei ist Stress ursprünglich etwas Positives, denn im gesunden Maß spornt er zu Leistungen an und hilft uns, Aufgaben erfolgreich zu bewältigen. Zu viel Stress macht uns jedoch auf Dauer krank. Besonders in den steigenden Arbeitsunfähigkeitstagen macht sich der zunehmende Stress bemerkbar.

Doch was ist Stress eigentlich und wie können wir wieder mehr das Positive aus ihm ziehen?

Evolutionär betrachtet ist unsere Stressreaktion nützlich und hat unseren Vorfahren das Überleben gesichert. Logisch: Wer dem Säbelzahntiger achtsam und lässig-entspannt entgegentrat hatte üblicherweise geringere Überlebenschancen als diejenigen, die schnell reagierten und ihre Beine oder Waffen in die Hand nahmen. Heute, in der Zeit von Power-Point Präsentationen, Townhall-Meetings und SCRUM, gibt es allerdings keine Säbelzahntiger mehr. Das hat unserem Stress nur leider niemand mitgeteilt.

Stress ist also ein uraltes Überlebensprogramm, das Energiereserven für körperliche Höchstleistung in Notsituationen bereitstellen kann. So reagiert der Körper und der Organismus permanent auf externe und interne Reize, sogenannte Stressoren. Je nachdem, wie die primäre kognitive Bewertung des Reizes ausfällt (irrelevant, positiv oder stresshaft), löst das Gehirn verschiedene biomechanische Prozesse aus, die den Körper z.B. bei Gefahr in „Alarmbereitschaft“ versetzen. Stresshormone wie Adrenalin und Kortisol werden ausgeschüttet, dem Gehirn und den Muskeln stehen mehr Sauerstoff zur Verfügung, der Herzschlag beschleunigt sich und der Blutdruck steigt an. Diese Vorgänge in unserem Körper geben uns Energie und wir können instinktiv und damit schneller reagieren.

Hält Stress nur kurz an, schadet er uns nicht, doch langanhaltender Stress kann, wie wir wissen, zu ersthaften Erkrankungen führen.

Allerdings ist Stress nicht gleich Stress. Der ungarisch-kanadische Stressforscher Hans Seyle trennte Stress in zwei Typen: Eustress (nach der griechischen Vorsilbe „eu“ für „gut“) und Distress (Engl.: Notlage, Bedrängnis). Zwischen den unterschiedlichen Kategorien bestehen große Unterschiede in unserer persönlichen Wahrnehmung.

Eustress – der "gute" Stress oder "Flow"

Mit Eustress ist Stress gemeint, den wir positiv wahrnehmen, der mit einer verbesserten Kognition einhergeht und uns wahrlich „beflügeln“ kann.
Dies kann zum Beispiel der angenehme Arbeitsdruck sein, den man gelegentlich erlebt, wenn sich die Arbeit wie von allein erledigt, man weder Hunger noch Durst verspürt und die Mittagspause sich beinahe unbemerkt anschleicht und ganz plötzlich ansteht. „Guter“ Stress kann auch etwa dann sein, wenn eine Präsentation, Prüfung, Wettkampf oder ein Vorstellungsgespräch ansteht. Also Situationen, kurze Zeiträume, die herausfordernd und belastend sein können, wir aber nicht als unmöglich ansehen. Durch die Freisetzung von Stresshormonen werden wir schließlich aufmerksamer und fokussierter, das unterstützt uns die Situation erfolgreich zu bewältigen.

Distress – Negativ empfundener Stress

Distress hingegen meint Stress, wie wir ihn kennen - der sogenannte „schlechte“ Stress. Überforderung, Angst, Sorgen, Konzentrationsstörungen, Schlafprobleme sowie Stimmungsschwankungen deuten auf Distress hin.

Beide Formen von Stress gehen mit einem hohen Arbeitspensum einher. Aber während Eustress sich nur auf einen bestimmten kurzen Zeitraum bezieht, hält Distress den Körper meisten über einen längeren Zeitraum im angespannten Zustand. Leider ist der Übergang von positivem zu negativem Stress fließend. Daher ist es wichtig, auf den Körper zu hören und sich im Alltag stets zu hinterfragen, wie es einem wirklich geht.

Stress kann also Engelchen und Teufelchen für uns sein. Eustress kann unsere Konzentration und Leistungsfähigkeit steigern, Distress hat wiederum den gegenteiligen Effekt.
Wie aber lässt sich Eustress bei der Arbeit mehren? Hier ein paar Beispiele:

  • Aufgaben eigenverantwortlich übernehmen
  • Spaß bei der Arbeit erleben
  • Intrinsische Motivation entwickeln
  • Vielfältige und sinnhafte Aufgaben übernehmen
  • Feedback einfordern und erhalten

Für Interessierte: Moderne Stressforscher sprechen heute statt von Eustress oft von „Flow“, einerseits um Verwirrung bezüglich der Begriffe zu vermeiden, andererseits vermutlich auch um neue Bücher über ein altbekanntes Thema zu verkaufen.

Fazit: Stress ist nicht gleich Stress

Nicht jeder Stress ist schlecht für uns! Überlegen Sie wie Sie Eustress mehren, sodass Sie bei Distress gelassener bleiben können.

 

Quellen:

Le Fevre, M., Matheny, J., & Kolt, G. S. (2003). Eustress, distress, and interpretation in occupational stress. Journal of managerial psychology, 18(7), 726-744.

Schmitz, B., Lang, J., & Linten, J. (Eds.). (2017). Psychologie der Lebenskunst: Positive Psychologie eines gelingenden Lebens–Forschungsstand und Praxishinweise. Springer-Verlag.

Goal, S. (11.11.2021). Eustress und Distress: Psychische Belastung hat verschiedene Gesichter. GESUNDNAH AOK Baden-Württemberg. Aufgerufen am 22.12.2022 unter https://www.aok.de/bw-gesundnah/psyche-und-seele/eustress-und-distress-teufelchen-und-engelchen