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Gleichzeitig Muskeln aufbauen und Fett abbauen – ist das möglich?

Viele haben das Ziel Fett zu verlieren und gleichzeitig Muskeln aufzubauen. Sei es aus ästhetischer Sicht, den Körper zu formen oder um die eigene Körperzusammensetzung zu verbessern. Bekanntlich bringt eine positive Veränderung der Körperzusammensetzung (mehr Muskelmasse, weniger Körperfett) eine Vielzahl von gesundheitlichen Vorteilen mit sich. Ob es möglich ist, gleichzeitig Muskeln aufzubauen und Fett abzubauen, wird in der Fachwelt immer noch stark diskutiert. Doch warum eigentlich? Warum sollten ein gleichzeitiger Muskelaufbau und Fettabbau nicht möglich sein?

Nun ja, die Theorie sieht folgendermaßen aus: Jeder Mensch benötigt zum Leben Energie in Form von Nahrung. Dieser Bedarf wird in Kalorien gemessen. Nehmen wir an einem Tag mehr Kalorien zu uns als wir benötigen, speichert unser Körper überschüssige Kalorien in Form von Fett in unserem Körper oder nutzt diese zum Aufbau von Muskeln. Nehmen wir weniger Kalorien zu uns, als wir benötigen, nutzt unser Körper die vorher angelegten Fettspeicher zur Energiegewinnung, er baut also Fett ab. Die meisten Menschen kennen diese Gegebenheiten und schließen daraus: Ein Kalorienüberschuss und ein gleichzeitiges Kaloriendefizit sind nicht möglich, daher kann es auch nicht sein, dass man gleichzeitig Muskeln aufbauen und Fett abbauen kann. Im Bodybuilding-Bereich hat sich daher etabliert, das Training in Muskelaufbau- und Definitionsphasen zu unterteilen. Ob eine solche Unterteilung nötig ist und warum es vielleicht doch möglich ist, Muskeln aufzubauen und gleichzeitig Fett abzubauen, klären wir im Folgenden.

Muskelaufbau vs. Fettabbau

Während der Muskelaufbau ein anaboler Prozess ist, wird der Fettabbau als katabol charakterisiert. Als anabol werden all die Prozesse des Stoffwechsels bezeichnet, bei denen körpereigene Substanzen wie Fett und Muskeln aufgebaut werden. Um Muskeln aufzubauen, müssen wir einen Energieüberschuss haben, d. h. wir müssen mehr Kalorien zu uns nehmen, als unser Körper verbrennt, damit die überschüssigen Kalorien für den Muskelaufbau verwendet werden können. Katabol hingegen sind all die Prozesse, bei denen körpereigene Substanzen abgebaut werden. Um Fett abzubauen, müssen wir uns dahingehend in einem Energiedefizit befinden, denn dann greift der Körper auf gespeicherte Energie zurück, um das Defizit auszugleichen, was effektiv zu einem Gewichtsverlust führt. Empfohlen wird ein Defizit von ca. 200 – 500 kcal. Ein zu hohes Defizit und damit eine zu geringe Aufnahme von Makro- und Mikronährstoffen, birgt die Gefahr nicht nur Fett, sondern auch Muskelmasse zu verlieren.

Per Definition scheint es also unmöglich zu sein, dass anabole (aufbauende) und katabole (abbauende) Prozesse gleichzeitig in unserem Körper ablaufen. In der Praxis zeigt sich dennoch, dass es für bestimmte Bevölkerungsgruppen möglich ist. So profitieren hauptsächlich Sportanfänger, Fettleibige/Übergewichtige und Untrainierte von den zeitgleich ablaufenden Anpassungen der Körperzusammensetzung. Dieses adaptive Phänomen, bei dem gleichzeitig Muskelmasse auf- und Fettmasse abgebaut wird, wird als Rekomposition des Körpers (Body Recomposition) beschrieben.

Doch was ist mit trainierten Personen und Athleten – können diese ihre Körperzusammensetzung nicht anpassen?

Ist eine Body Recomposition (nicht) bei allen möglich?

Ob man gleichzeitig Muskeln aufbauen und Fett abbauen kann, hängt unter anderem von der Trainingserfahrung ab. Es ist allgemein anerkannt, dass der Trainingszustand einen erheblichen Einfluss auf die Geschwindigkeit des Fortschritts bei der Körperzusammensetzung hat. Trainingsanfänger neigen dazu, größere muskuläre Anpassungen zu erfahren als fortgeschrittene Athleten. Aber entgegen der weit verbreiteten Meinung, dass gleichzeitiger Muskelaufbau und Fettabbau nur bei Anfängern oder fettleibigen Personen plausibel sind, konnten Donelly et al. (2009) zeigen, dass auch trainierte Personen eine Neuzusammensetzung des Körpers erfahren können. Dennoch spielt der Trainingszustand des Einzelnen, die Trainingsmaßnahmen und die Ausgangskörperzusammensetzung eine wichtige Rolle und bestimmen maßgeblich das Ausmaß des Muskelaufbaus und des Fettabbaus. Es hat sich gezeigt, dass Widerstandstraining in Verbindung mit Ernährungsstrategien dieses Phänomen verstärken können. Darüber hinaus gibt es offenbar auch Variablen, die nicht mit dem Training oder der Ernährung zusammenhängen, wie Schlaf, Hormone und Stoffwechsel, die diese Anpassungen erheblich beeinflussen können. 

Prozesse sind abhängig von Trainingsart, Trainingsstatus, Ernährung, Schlaf und weiteren Faktoren

Als geeignete Trainingsarten für einen gleichzeitigen Muskelaufbau und Fettabbau haben sich Krafttraining, hochintensives Zirkeltraining, hochintensives Intervalltraining und paralleles Kraft- und Ausdauertraining bewiesen. Daten zeigen, dass auch trainingserfahrene Menschen von einem kombinierten Kraft- und Ausdauertraining (concurrent training) im Hinblick auf die gleichzeitigen Anpassungen der Körperzusammensetzung profitieren. Studien an krafttrainierten Sportler*innen haben darüber hinaus gezeigt, dass z.B. Zirkeltraining mit Satzpausen von 35 Sekunden im Gegensatz zu traditionellem Krafttraining mit 3 Minuten Satzpausen zu einem statistisch signifikanten Abbau von Fettmasse führt. Der Muskelzuwachs hingegen bleibt vergleichbar groß.

Hinsichtlich des Trainingsstatus gelingt auch Spitzensportlern eine Rekomposition des Körpers. So profitieren diese bei einem Wiedereinstieg/Neustart von einer Anpassung der Körperzusammensetzung, also dann, wenn sie sich z.B. in der Nebensaison eine kleine Auszeit genommen und für eine gewisse Zeit lang weniger trainiert haben und anschließend wieder voll einsteigen in ein intensives Training. So berichten Zemski et al. (2018) von einer signifikanten Zunahme der Muskelmasse und Abnahme der Fettmasse bei Elite-Rugbyspielern, nachdem sie vier Wochen lang nicht trainiert hatten und dann während der Vorsaison zu einem 11-wöchigen hochvolumigen, hochintensiven Trainingsprogramm zurückgekehrt waren.

Nicht nur die Trainingsart und der Trainingsstatus einer Person haben Einfluss auf die anabolen und katabolen Prozesse, auch die Kombination von Widerstandstraining und spezifischen Ernährungsstrategien kann die Trainingsleistung, die Erholung und die Körperzusammensetzung erheblich beeinflussen.

Im Allgemeinen werden Kaloriendefizite für Personen verordnet, die an Fettmasse abnehmen wollen und Kalorienüberschüsse für diejenigen, die Muskelmasse aufbauen wollen. Aber Studien haben belegt, dass es auch anders geht und selbst im leichten Überschuss Fett abgebaut und Muskeln aufgebaut werden können. Hier kommt der Zufuhr von Proteinen eine bedeutende Rolle zu. Denn es ist bewiesen worden, dass Sportler ihre gesamte Körperzusammensetzung verbessern können, wenn sie sich proteinreich ernähren. Darüber hinaus zeigen Daten, dass gut trainierten Personen sogar mit überhöhter Kalorienzufuhr Fett abbauen können, insbesondere wenn der Kalorienüberschuss durch zusätzliches Eiweiß bedingt war.

Auf das Gesamtpaket kommt es an

Nach Barakat et al. (2020) könnte es noch einen weiteren Grund geben, weshalb gleichzeitiger Muskelaufbau und Fettabbau möglich ist, der sogenannte Nährstoff-Partitionierungseffekt. Diesem Effekt nach kann der Körper Nährstoffe bevorzugt in einem bestimmten Gewebe speichern. Nach Bedarf können Muskelzellen somit mit mehr Nährstoffen versorgt werden als das umliegende Fettgewebe. Das Muskelgewebe kann also einen Kalorienüberschuss vorweisen, während sich das Fettgewebe in einem Kaloriendefizit befindet. Die beiden Gewebetypen arbeiten unabhängig voneinander. Der Nährstoffpartitionierungseffekt ist allerdings noch nicht ausreichend erforscht, um mit Sicherheit sagen zu können, dass er für die Fähigkeit gleichzeitig Muskeln aufzubauen und Fett abzubauen verantwortlich ist.

Weitere Faktoren wie Schlaf (Qualität und Quantität), Hormone (z. B. Stresshormon Cortisol, oder Testosteron) und die Stoffwechselrate können ebenso Veränderungen der Körperzusammensetzung beeinflussen. Es hat sich gezeigt, dass Übergewichtige bei einem Schlafentzug von einer Stunde (und Kaloriendefizit) an 5 Tagen in der Woche im Verhältnis deutlich mehr Muskelmasse abnehmen als ohne Schlafmangel. Dieser unerwünschte Verlust an Muskelmasse bei einer Diät lässt sich vermindern, wenn man ausreichend schläft. Darüber hinaus konnte beobachtet werden, dass sich der Gheerlin-Spiegel bei Schlafmangel erhöht. Ghrelin wird als „Hungerhormon“ bezeichnet und erhöht nachweislich die Wahrscheinlichkeit einer Gewichtszunahme (insbesondere von Fett). Daten zur Untersuchung von Schlafentzug haben zudem negative Auswirkungen auf mehrere sportliche Leistungsvariablen und die Erholungsfähigkeit gezeigt. Wir empfehlen daher, gerade während einer Diät, vermehrt darauf zu achten, ausreichend Schlaf zu bekommen.

Fazit: Gleichzeitig Muskeln aufbauen und Fett abbauen?

Können wir die Frage, ob gleichzeitiger Muskelaufbau und Fettabbau möglich ist, nun beantworten? Eindeutig ja! Die Effekte mögen zwar bei jedem unterschiedlich stark ausgeprägt sein, doch mit richtigem Training, einer guten Ernährung und ausreichend Schlaf lässt sich der Metabolismus so unterstützen, dass die meisten Menschen dazu in der Lage sind, gleichzeitig Muskeln aufzubauen und Fett abzubauen. Dabei ist es wichtig, sich bewusst zu machen, dass wir hier von Prozessen reden, die praktisch erst relevant werden, wenn wir sie über einen längeren Zeitraum betrachten. Also denkt daran, eure Ziele realistisch zu betrachten und sie nicht zu kurz zu formulieren. Mit der richtigen Planung ist so einiges möglich!

 

Quellen:

Barakat, C., Pearson, J., Escalante, G., Campbell, B., De Souza, E. (2020). Body Recomposition: Can Trained Individuals Build Muscle and Lose Fat at the Same Time?. Strength and Conditioning Journal 42(5): 7-21. | DOI: 10.1519/SSC.0000000000000584

Barakat, H. A., et al. (2020). Nutrient Partitioning: A Review of Natural and Pharmacological Compounds that Alter Fat and Muscle Mass Distribution. Journal of Clinical Medicine 9(6), 1870. 

Donnelly, J. E., Jakicic, J. M., Pronk, N. P., Smith, B. K., Kirk, E. P., Jacobsen, D. J., ... & Washburn, R. (2003). Muscle hypertrophy with large-scale weight loss and resistance training. American Journal of Clinical Nutrition 77(4), 91-99.

Donnelly, J. E., Blair, S. N., Jakicic, J. M., Manore, M. M., Rankin, J. W., Smith, B. K., ... & American College of Sports Medicine. (2009). American College of Sports Medicine Position Stand. Appropriate physical activity intervention strategies for weight loss and prevention of weight regain for adults. Medicine and Science in Sports and Exercise 41(2), 459-471.

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McCarthy, D., Berg, A. (2021). Weight Loss Strategies and the Risk of Skeletal Muscle Mass Loss. Nutrients 13(7): 2473. https://doi.org/10.3390/nu13072473

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Viana, R. B., Naves, J. P. A., Coswig, V. S., de Lira, C. A. B., Steele, J., Fisher, J. P., & Gentil, P. (2019). Is interval training the magic bullet for fat loss? A systematic review and meta-analysis comparing moderate-intensity continuous training with high-intensity interval training (HIIT). British journal of sports medicine, 53(10), 655–664. https://doi.org/10.1136/bjsports-2018-099928

Zemski; A.J., Keating, S.E., Broad, E.M., et al. (2018). Preseason body composition adaptations in elite white and polynesian rugby union athletes. Int J Sport Nutr Exerc Metab 29, 9–17.